Sonntag, 23. November 2008

Clownerie

Und heute nehme ich mir vor etwas Positives zu schreiben...

Ferien. Ein Morgenspaziergang. 11 Uhr morgens. Kaffejunkies und Finger-Food-Esser reihen sich in den Bäckereien der Fußgängerzone. Fast alle haben einen Job. Sind aber unzufrieden. Freizeit wird im Arbeitsamt nicht mehr vermittelt. Überall seh ich sie. Dicke Deutsche. Bemittleidenswerte Figuren mit abgekauten Fingernägel ihrer inneren Verzweiflung. Sie kauen an ihren Leberwurstbrötchen und stinken aus dem Mund. So muss das sein. Es war ja schon immer so. Ich setze mich auf eine Parkbank, studiere die Titelseite der Tageszeitung und schweife ab. Amokläufe. Junge Mütter die ihre Babys in die Mikrowelle stopfen. Steueraffären und Selbstmordattentäter. Coole Headlines. Der Zeitgeist wird eingefangen. Immer optimistisch denken. Lächeln. Sagt ja auch die Oma. Und die hat ja schon einen Weltkrieg hinter sich. Oma sagt aber auch, dass der dritte Weltkrieg das Leben ist. Der Alltag, so wie er hier stattfindet. Ekel. Gejammer. Und das trotz Wohlstand. Schleim auf den Straßen. Ich denke an Einsteins Worte, er wisse nicht wie der dritte Weltkrieg geführt wird, aber der vierte definitiv wieder mit Pfeilen und Bogen. Ein alter Bekannter grüßt mich. Fragt mir wie es geht. Die Speisereste zwischen seinen Zähnen stören mich. Ich antworte "Gut". Er mit "Muss muss". Ich mag ihn nicht. Er will mir von seiner Freundin erzählen, die er betrügt. Er versucht Pointen zu setzen, obwohl es gar keine gibt. Ich höre geduldig zu. Nachdem er abschweift wie cool es doch sei fremdzugehen, stopfe ich mir mein Croissant in den Mund und drehe mich von ihm weg. Ich starre in die Fressen eines lokalen Stadtpolitikers. Loser. Grenzdebiles Lächeln über Scheinfanatismus. Stummer Aktionismus und leere Parolen. Menschennähe wird versprochen. Aber von deinen unzählbaren anderen Kollegen auch, du Witzfigur. In Gedanken beginne ich einen Dialog mit ihm. "Wie fühlt es sich eigentlich an zu wissen, dass einen die eigene Familie. Tochter und Frau für einen Loser ohne Autorität halten. Einen Neo-Ü50-Moderno-Politiker der das Gespräch mit der Jugend sucht und sich dann am nächsten Morgen über den aggressiven Slang auf deutschen Schulhöfen wundert und blockiert. Verdorbene Jugend. Keine Ausbildungschancen. Plädoyer an die Lehrer. Macht das den ganzen Hauptschülern klar. Weg mit dem Dreck!
Nach der Arbeit lässt er sich von Paula einen blasen. Paula mag ihn nicht. Bekommt aber gutes Geld dafür. Die Familienidylle ist ohnehin längst hinüber. Die Frau des Weltverbesseres poppt ohnehin seit 2 Jahren mit seinem Busenfreund und Parteikollegen. Christliche Werte werden hier thematisiert. Demokratisiert. Hypnotisiert. Jesus vergibt euch alle Sünden. Einfach weiterpredigen. Weiterficken.
Ein Betrunkener kommt des Weges. Arme Sau. 11.13 Uhr. Zwei offene Bier in den Händen. Seine verwaschene Cordhose ist voll uriniert. Er kann nichts für sein Elend. Er ist ein Ausgestoßener. Trotzdem hasse ich ihn. Möchte ihm eine Minute lang helfen und ihn anschließend beleidigen. Weil er es nicht geschafft hat. Weil wir es schaffen müssen. Und wenn wir versagen, werden wir ausgestoßen.
Irgendwie vergeht mir die Lust, inmitten all dieser Menschen. Charakterlose Geister. Pickelige Grimassen auf weißer Haut. Deutsche Akne. Feinripp unter Ketschupfflecken. Handyoberschalenkäufer und MC-Donalds-Bäuche-Träger. Ich gähne. Verlange nach Unterhaltung. Ein freier Tag in der Stadt. Der Himmel bleibt grau. Gleich wird es regnen. Das Leben ist aufregend in einer Geisterstadt. Denke an Weihnachtsharmonie. Kekse und geblendete Bilderbuchfamilien. Triebgesteuerte Familienväter die, das Nachbarsmädchen bumsen wollen. Ich kaufe mir ein gutes Buch und fahre nach Hause. Möchte hier nicht sein.

Kalter deutscher Regen lässt mich erschaudern. Mein Bauch knurrt. Zu Hause stehen Sektenvertreter vor meiner Tür. Warte bis sie fort sind. Die Sektenvertreter steigen in ihren BMW und hören laute Popmusik. Das Leben ist ein Geschäft. Das Verlieren das Kapital. Und die Gewinner längst bankrott.

Ich wollte doch nur über etwas Positives schreiben!

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